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Kafkaeske oder kafköse Komik? – Oder die Frage, ob Franz Kafka auch gelacht hat

von Katrin Sterba

Eine humorvolle Annäherung an Franz Kafkas Werk und Biographie der Klassen 11C und 11D am Mittwoch, 25. Januar 2023, mithilfe der Inszenierung „Kafka in Farbe“ am Landestheater Bregenz.

Schüler der Oberstufe haben bei der Interpretation von Franz Kafkas Werken im Deutschunterricht meist nur wenig zu lachen. Denn die parabolischen Texte, die dort behandelt werden, sind für die jungen Leser meist skurril, absurd, verwirrend, undurchschaubar und unerklärlich, oft sogar befremdlich, mitunter sogar beängstigend oder bedrohlich – kurz kafkaesk.
Auch die uns überlieferten Schwarzweißfotos des Schriftstellers zeigen Kafka als einen jungen Mann, der ernst in die Kamera blickt. Schwer vorstellbar, dass dieser Prager Literat richtige Lachanfälle gehabt haben soll. So soll er sich beim Vorlesen seiner eigenen Texte vor Lachen fast gekrümmt haben. Und selbst gegenüber seiner Verlobten Felice Bauer insistiert er Anfang Januar 1913 in einem Brief: „Ich kann auch lachen, Felice, zweifle nicht daran, ich bin sogar als grosser Lacher bekannt […].“
Dass das Kafkaeske – oder sollte man aufgrund der Persiflage auf den Literaturbetrieb eher sagen das „Kafköse“? – durchaus komische Seiten hat, konnte die Schüler der Klassen 11C und 11D am Mittwoch, 25. Januar 2023, im Landestheater Bregenz erleben. Max Merkers Inszenierung des Theaterstücks „Kafka in Farbe“, das Merker zusammen mit Aaron Hitz geschrieben hat, brachte einen humorvollen, „farbigen“ Kafka auf die Bühne. Nachgezeichnet werden in dem Stück die letzten Wochen und Monate des an Tuberkulose erkrankten Schriftstellers, der verschiedene Sanatorien aufsucht und am Ende nicht mehr sprechen kann, weshalb seine Schmerzen mit Morphium betäuben werden müssen. Im Fiebertraum des kranken Kafka verwischen die Grenzen zwischen Werk und Leben: Wer liegt hier im Bett? Der Schauspieler? Kafka selbst? Oder gar Gregor Samsa, der in der Verwandlung „eines Morgens aus unruhigen Träumen erwacht[…], [und] […] sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt“ findet? Oder ist es doch Josef K. aus Der Process, der, „ohne dass er etwas Böses getan hätte, […] eines Morgens verhaftet“ wird? Das legen zumindest die Wächter Franz und sein Bananen essender Kollege Willem nahe. Dazwischen verdoppelt, verdreifacht und vervierfacht sich der Schriftsteller, gerät dadurch mit sich selbst in Zwiesprache, die stets in einer Aporie endet, erinnert sich vergangener Weggefährten und Ereignisse oder bekommt Besuch – sowohl von Freunden als auch von Figuren aus seinen Werken. Bei letzteren bleibt allerdings offen, ob das maulwurfartige Wesen dem Schriftsteller seinen Bau zur Verfügung stellt oder ob der Autor dort eindringt und somit selbst zu einem Maulwurf wird. Sogar die „Verwandlung“ einer Banane in Lebensgröße ist in einem solchen Delirium möglich und scheint den Zuschauer mehr zu verwirren als Kafka – oder ist es der Schauspieler? Denn im Bregenzer Landestheater wird mit der Rahmenhandlung des „Teaters von Oklahama“ aus Der Verschollene ein Theater auf die Bühne gebracht, das auf „farbige“, also humorvolle Weise den Schülern nicht nur Kafkas Leben, sondern auch die intertextuellen Bezüge von Kafkas Werk zu verdeutlichen vermag.
Mögen angesichts der Vielschichtigkeit auch nicht alle intertextuellen und biographischen Anspielungen – trotz der Nachbesprechung im Unterricht – geklärt und erfasst worden sein, so hat der Theaterbesuch durch diese humorvolle Inszenierung Kafkas Werk hoffentlich das Bedrohliche nehmen können, sodass die Interpretation seiner Parabeln im Unterricht nun ebenfalls mit einem Lachen erfolgen kann – mögen diese Texte noch so kafkaesk sein.